NZZ - Der Pardo d’Oro geht an den sperrigsten Film

Ein überzeugendes Filmfestival Locarno erstmals unter der Leitung des 42-jährigen Italieners Carlo Chatrian ist am Samstag mit der Preisgala auf der Piazza Grande zu Ende gegangen. Die Jury hat den Kurs des Direktors honoriert. Die Eintritte belegen eine weitere Konsolidierung der letzten Jahre.
Mit der Vergabe des Pardo d’Oro an den spanisch-französischen Wettbewerbsfilm HISTORIA DE LA MEVA MORT des Katalanen Albert Serra hat die Jury ein Zeichen gesetzt, das an Klarheit nichts zu wünschen übrig lässt. Die zweieinhalbstündige, bis ins Extrem gedehnte Folge von Tableaus aus den letzten Tagen Giacomo Casanovas verweigert sich rigoros allem, was Kino für den Normalkonsum ausmacht. Der Idee, Aufklärung und Feudalismus mit Graf Draculas Schattenwelt zu kombinieren, liesse sich einiges abgewinnen; verloren aber war, wer sich Serras reduktionistischer Filmsprache nicht ausliefern mochte.
Carlo Chatrian hat in seinem ersten Jahr als Direktor von Locarno eine überzeugende Visitenkarte hinterlassen und dem im Geschmack recht bunten Kurs seines Vorgängers klarere Vorstellungen entgegengesetzt. Seine Auswahl war nicht nur im Concorso internazionale mit 20 Beiträgen mehrheitlich einem Filmschaffen verpflichtet, das Kompromisse nicht mag und auch bei konventionellerer Erzählweise Substanz hatte. Demgegenüber hatte die Piazza Grande trotz Blocher und Co. ein weniger klares Profil. Insgesamt aber war Locarno eine (Film-)Reise wert wie lange nicht mehr.
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