Rosmarie, Susanne, Ruth
CH 1978 77'
Regie: Franz Reichle
Drehbuch: Franz Reichle
Kamera: Ruedi Staub
Ton: Marlies Graf
Produktion: Franz Reichle
Was als polemischer Film über das fehlende Frauenstimm- und Wahlrecht in Appenzell Ausserrhoden geplant war, entwickelte sich zu einem differenzierten Porträt dreier etwa 16 jähriger Mädchen, die aus einer Bauern-, einer Unternehmers- und einer Gastarbeiterfamilie stammen. Indem Franz Reichle den Einfluss von Tradition, Brauchtum und unterschiedlichen Milieus auf die Entwicklung und das Selbstverständnis der drei Mädchen aufzeigt, wird dieser Dokumentarfilm zu einer in mancher Beziehung aufschlussreichen Darstellung jener Gegebenheiten und Bedingungen, die die Rolle der Frau in Familie und Öffentlichkeit prägen.
Reichle zwingt (fast alle) zum Nachdenken!
Blick
"Mädchen und Frauen stehen im Mittelpunkt des Filmes – ihre Aussagen über Erziehung sind durchaus nicht spezifisch appenzellisch, sie sind nachgerade allgemein gültig. Denn: Familien wie die drei ausgewählten gibt es nicht nur allenthalben in der Schweiz, sondern auch – mit wenigen Unterschieden – in Deutschland, Frankreich – überall. Eingebettet hat Franz Reichle die echten und spontanen Äusserungen der sechs Frauen in die Männerwelt, die sie (wiederum überall – nur den Umständen entsprechend vielleicht etwas anders) umgibt: die (Männer-) Landsgemeinde, das Landsgemeindelied (von Männern gesungen), Silvesterkläuse zu Beginn des Films und zwischen den einzelnen Sequenzen, Väter im Hintergrund: in der Beiz – während die ebenfalls berufstätige Mutter den Haushalt besorgt -, beim Boxen, während die Mutter mit Frauen des Frauenvereins Tischdekorationen für einen Altersnachmittag herstellt. Diese Diskrepanz (Frau im Haus, Mann „draussen im Leben“), diese Kontraste, hat Franz Reichle sehr schön herausgearbeitet, nie aufdringlich, nie aufgesetzt, nie penetrant. Der Film zeigt den Alltag Tausender von Familien, Frauen mit Doppelbelastung, Männer auf dem Sofa, Mädchen, die in dieser Welt aufwachsen, ihre Brüder, Freundinnen, ihre Umgebung.
Was Franz Reichle mit seinem Dokumentarfilm darüber hinaus fertigbrachte: er drehte einen Film, der das Appenzellerland (und die Appenzeller) einmal so zeigt, wie es wirklich ist, mit einem Alltag, der nichts mit „Bilderbuchkanton“ zu tun hat, mit Brauchtum, gewachsen in diesem Ländchen – nicht wie es in Zürich als „Exportartikel“ verkauft wird. Die schöne Landschaft, das urtümliche, archaische Brauchtum, die politische Struktur der Männerlandsgemeinde, die kein bisschen anders oder schlechter ist als in anderen Schweizer Kantonen, die zwar stolz ihr Frauenstimmrecht herzeigen (und ein paar Alibifrauen in der Politik): In diesem Sinn dürfte der Film auch dazu beitragen, den Schweizern das Appenzellerland einmal so zu zeigen, wie es auch die Appenzeller sehen."
Margrith Widmer, St.Galler Tagblatt