Jour de nuit
Berner Filmpreis
Jour de nuit
CH 2000 90'
Regie: Dieter Fahrer, Bernhard Nick
Drehbuch: Dieter Fahrer, Bernhard Nick
Kamera: Dieter Fahrer
Ton: Balthasar Jucker
Schnitt: Maya Schmid, Stephan Ribi
Musik: Werner Aeschbacher, Tini Hägler, Bernhard Nick, Victoria Givre, Victoria Givre
Produktion: Balzli & Fahrer GmbH
Mit: Peter Bergmann, Monie Maziane, Bruno Netter
Hinten im Tal, beim Wasserfall, stellt er seine Staffelei auf. Verweilen, schauen, malen dasein mit den Kräften des natürlichen Lichts. Am Waldrand steht sein Haus, Zentrum seines Tuns, sein Herd im Winter. Paris «ville lumière». Ein Mann. Eine Frau. Beide Schauspieler. Beide erblindet. Blind in einer blendenden Welt. Hören im Dunkel. Sehen im Dunkel. Wach sein. Schattentheatergestalten tauchen aus dem Dunkel auf ans Licht und im Licht: ein spielendes Kind, das nur die Gegenwart kennt und in ihr die wunderbare Gegenwärtigkeit von allem. Ein Film über Licht, Sehen und Wahrnehmung.
"Licht fällt aufs Wasser und bricht sich in einer Unzahl von Spiegelungen. Ein Boot bahnt sich ruhig seinen Weg durch das Glitzermeer. Das Wasser erscheint unwirklich, unergründlich und unnahbar. Dann öffnet sich ein grosses Tor ,und strahlendes Licht erfüllt den Raum. Doch gleich, noch zu Beginn dieser Erzählung voller Geheimnisse, schleicht sich die Finsternis ein. Weisses, elektrisches Licht erhellt in regelmässigen Abständen drei Gesichter, drei Körper, die auf einem Drahtseil durch die italienische Nacht dringen.
JOUR DE NUIT erzählt die facettenreiche Geschichte des Lichts so, wie es von denjenigen wahrgenommen wird, die es zu ihrer Arbeit brauchen. Wie der Maler, der seine Staffelei in der einzigartigen Landschaft des Berner Oberlandes aufstellt. Wie die Insassen des kleinen Bootes, das im Dämmerlicht den Canal Saint Martin in Paris entlang fährt. Sie alle sind auf der Suche nach den Geheimnissen des Lichts, das den Farben ihre Intensität und den Dingen ihre Substanz gibt.
Der Film gewinnt an Komplexität, sobald Menschen auftauchen, die ihr Augenlicht verlieren oder gar nicht mehr sehen können. Ein Schauspielerpaar spricht über die immerwährende Nacht, die sie sehen. In einer Szene von einmaliger Schönheit, die zeigt, wie gemeinsame kreative Arbeit die Behinderung überwinden kann, malt eine Mutter mit ihrem sehenden Kind. Aus den Verbindungen zwischen den einzelnen Fragmenten, die auf den ersten Blick unzusammenhängend scheinen, entsteht allmählich ein kohärentes Bild. Denn dieser Film zeigt mit Hingabe die verschiedenen Gesichter der Welt, den Einfallsreichtum (Stiefel aus Filz), die Kultur (Theater) und unterschiedliche Stimmen (die nüchternen Gedanken der Menschen). Die Filmemacher haben ein Talent dafür, die Gegensätze zwischen hell und dunkel, Tag und Nacht, warm und kalt, Sommer und Winter, Innen und Aussen aufzuzeigen, ohne dabei in gängige Schemata zu verfallen. Indem sie einerseits verknüpfen und andererseits abgrenzen, regen sie vielmehr Überlegungen über unsere Eigenwahrnehmung an, die aus uns einsame und zugleich miteinander verbundene Individuen macht: einsam wie die Bettlerin, die in einer endlosen Litanei in der Pariser Metro «für ihre Kinder» bittet; miteinander verbunden wie all die Menschen, die am Ende des Films gemeinsam in blendendes Licht eintauchen. Ohne ihn mit Symbolen oder Metaphern zu überladen, haben die Regisseure wie weltliche Priester hier einen Film geschaffen, der ohne Religion, aber doch mit einer Spur von Spiritualität, eine Andacht feiert."
Jean Perret, Visions du Réel Nyon