Gambling, Gods And LSD

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Website GAMBLING, GODS AND LSD

Maximage

Visions du Réel Nyon 2002: Fiche GAMBLING, GODS AND LSD

Jump Cut: Cinephilia and the travel film. Review and Essay of GAMBLING, GODS AND LSD

Hors Champs: Mettlerism. Review of GAMBLING, GODS AND LSD


Siehe auch:
Peter Mettler - Das Unsichtbare sichtbar machen

ISAN: 0000-0000-D572-0000-Q-0000-0000-X

Grand Prix Visions du Réel Nyon 2002

Gambling, Gods And LSD
CH/CA 2002 180'

Regie: Peter Mettler
Drehbuch: Peter Mettler
Kamera: Peter Mettler
Ton: Peter Bräker, Peter Mettler
Schnitt: Peter Mettler, Roland Schlimme
Musik: Fred Frith, Jim O'Rourke, Knut & Silvy, Henryk Nikolaj Gorecki
Produktion: Maximage GmbH, Grimthorpe Film

Peter Mettler 2002 180'


Ein dreistündiger Gegenwartstraum, unsichtbaren Strömen folgend, die Menschen in Toronto, Nevada, der Schweiz und Südindien quer durch die Kulturen verbinden. Eine Suchbewegung um die Frage, wofür wir leben, wie wir die Welt und wo wir den Himmel sehen. Die Entdeckungsreise eines Filmemachers, der sich mit offenen Sinnen zu den pulsierenden Bilderquellen, vor und hinter die Kulissen treiben lässt, um die kleinen Wunder des Alltags zu belauschen. Ein Film, der dokumentarische und innere Bilder mit musikalischer Bewegung zu einem Fluidum verschmilzt, in dem die Gegenwart in immer neuer Gestalt aufschimmert. Der Versuch, das Staunen im Allernächsten und im Entlegensten wiederzufinden.

"Mit besessener und wirrer Überlagerung von Bildern und Tönen tritt der Film von Peter Mettler an uns heran. Wie aus einem undurchschaubaren Magma taucht der filmische Akt empor. In ihm zeigt sich das Verlangen, aus der Realität gangbare Wege zu schöpfen. GAMBLING, GODS AND LSD lädt ein zu einer Reise zwischen Kanada, den USA, der Schweiz und Indien. Dabei werden Orte erforscht, die von Alltagsgeschichten und Mythen besetzt sind. Es zeigen sich inzestuöse Beziehungen zwischen Natur und Kultur, die unbegreifliche Schönheit der Wüste und majestätische Wasserfälle, Flugzeuge, die donnernd den Himmel durchschneiden – all diese Bild- und Geräuschmotive bestimmen die vielschichtige Erzählung.
Menschen äussern ihre existentiellen Bemühungen. Sie leben und überleben dank Drogen – eine wunderbar gefährliche Ausflucht. Andere versuchen, ihr Verlangen mit bezahlbarer Sexualität zu stillen und wieder andere sehen ihr Heil in der spektakulären Gemeinschaft einer Religion. Der Filmemacher zieht die kulturellen Unterschiede in Betracht, suggeriert aber gleichzeitig Gemeinsamkeiten zwischen einer christlichen Versammlung in Toronto, der Street Parade in Zürich und einer ekstatischen Zeremonie in Südindien. Mettler ist Anthropologe auf ganz eigene Art. Er hört nicht auf, sich selbst auf intuitive Weise mit den Wirklichkeiten auseinander zu setzen und Distanz zu nehmen, um der überwältigenden Komplexität gerecht zu werden. Sein Film vereinigt Bewegungen und feste Gestalt. Mettler hat es nicht eilig, er taucht langsam in seine angepeilte Umgebung ein. Er erfährt dort sowohl die materielle Härte als auch das aufblitzende Glück, und es bleibt ihm Zeit, das metaphysische Leben und die spirituellen Dimensionen zu bedenken.
Der Film drückt die Art und Weise aus, wie sich der Filmemacher in der Welt bewegt. Von seinen Herkunftsländern Kanada und Schweiz aus, über das faszinierend fremde Indien, trifft Mettler auf verschiedene Existenzen, die, sei es auf Grund kollektiver Halluzinationen oder individueller Beweggründe, gleichzeitig unverrückbar und ruhelos erscheinen. Sie sind auf der Suche nach einem tieferen Sinn des Seins und hoffen auf Erlösung – am Rande der Selbstverleugnung. Ihr Weg ist steinig und sie verfolgen ihn hartnäckig. Von Zeit zu Zeit gilt es, ihre Geschichten gegen den Strich zu bürsten.
Man müsste den Film mit auf eine Reise nehmen! Mit entsprechendem Schuhwerk ausgerüstet ist GAMBLING, GODS AND LSD ein idealer Begleiter. Er regt die Sinne an und leitet den Weg."
Jean Perret, Visions du Réel Nyon

Anmerkungen zur Produktion

Die ursprüngliche Idee zu GAMBLING, GODS AND LSD entstand 1988, doch erst 1994, als PICTURE OF LIGHT abgeschlossen war, konnte sich Mettler ganz diesem Projekt widmen. Von Anfang an war der Entstehungsprozess des Films als Entdeckungsreise konzipiert. Mettler erklärt: "Es war wichtig, dass dieses Projekt nicht von einem Drehbuch oder einem vorher ausgearbeiteten Drehplan abhing. Es war eher eine offene und intuitive Art zu arbeiten. Ein solcher Prozess verlangt dennoch Entscheidungen. Diese wurden getroffen als Reaktion sowohl auf den scheinbar zufälligen Fluss der Ereignisse als auch auf die Menschen, die mir begegneten."

Allein oder mit einem kleinen Team drehte Mettler Film- und Videomaterial in Kanada, den USA, der Schweiz und Indien. Vier Themen setzten die konzeptuellen Richtlinien für den Dreh fest: der Wunsch nach Transzendenz, die Verleugnung des Todes, die Illusion von Sicherheit und unsere Beziehung zur Natur. Diese Themen spielten bei der Motiv- und Personenauswahl eine entscheidende Rolle und bestimmten zudem die filmische Herangehensweise. Die Begegnungen selber erschufen die Logik der Reise. Mettler sagt dazu: ”Ich wollte eine Sache zur nächsten führen lassen, dem Film erlauben, sich von selbst zu machen– so dass seine Struktur die Logik des Lebensflusses widerspiegeln könnte.”

Mit Unterbrechungen war Mettler für diesen Film zwischen Ende 1997 und Anfang 1999 unterwegs. Bereits 1998 begann er in einem verwinkelten Bauernhaus im Schweizer Kanton Appenzell mit dem Filmschnitt. Das Haus wurde der Filmproduktion von der Schlesinger-Stiftung im Rahmen eines einjährigen Stipendiums für freie Künstler zur Verfügung gestellt. Im Jahr darauf verlegte Mettler seinen digitalen Schnittplatz in ein verlassenes Hotel im nahegelegenen St. Anton, das er mit einer Gruppe von Künstlerkollegen in einen kollektiven Arbeits- und Wohnort umwandelte.

In einer ersten Phase erschufen Mettler und sein Co-Editor Roland Schlimme aus dem gedrehten Originalmaterial eine 55-stündige Rohschnittfassung. Mettler erklärt: ”Nie wurde etwas zweimal gedreht, es gab weder Wiederholungen noch mehrere Einstellungen. Somit setzten sich die 55 Stunden aus einer Vielfalt von unterschiedlichsten Szenen und Charakteren zusammen. Ich brachte das Material chronologisch zusammen und versuchte, Szenen und Sequenzen so herauszukristallisieren, wie es das Material selbst vorgab. Die Herausforderung war, eine Struktur und eine Geschichte zu erschaffen und gleichzeitig die chronologische Ordnung der Ereignisse beizubehalten, ohne von aussen zu sehr zu beeinflussen. Es war wichtig, das Material atmen zu lassen.”

Von Anfang an spielte das Sound Design eine wichtige Rolle beim Aufbau des Films. Der Ton beeinflusste den Bildschnitt genauso, wie das Bild nach einem bestimmten Ton verlangte. Und beides musste sich mit dem gesprochenen Wort der interviewten Personen harmonisch verbinden. Mettler und seine Mitarbeiter entwickelten während dem Entstehen des Films einzelne Sound-Elemente als Begleitung oder als Kontrapunkt zu spezifischen Sequenzen. Bekannte Tontüftler wie der Schweizer Sound Designer Peter Bräker, der Musiker Fred Frith und der Schweizer DJ Dimitri de Perrot komponierten eigens für den Film Ton- und Klangelemente.

Im Soundtrack vermischen sich auch O-Töne und Musik, die vor Ort aufgenommen wurden. Diese reichen von der Ambiente in einem Casino in Las Vegas über Techno-Hallen in der Schweiz bis zu religiösen Zeremonien in Indien. Es wird auch aufgenommene Musik von verschiedenen Künstlern verwendet, u.a. von Jim O'Rourke, Henryk Gorecki, Tony Coe, Knut und Silvy und Christian Fennesz.

Interview mit Peter Mettler

Sie haben in allen Genres gearbeitet, vom Spielfilm bis zum Dokumentar-, Experimental- und Essayfilm. Wo würden Sie den neuen Film ansiedeln?
Ich würde keine dieser Bezeichnungen wählen. Diese Labels erzeugen gewisse vorgeformte Erwartungen, denen dieser Film nicht entspricht. Wir brauchen bessere Bezeichnungen für Dinge. Namen, welche die Feinheiten eines Dinges darlegen. Ein Baum ist nicht einfach ein Baum. Mir gefällt die Idee von «weissen» Filmen – wie das weisse Licht, dass durch die Vereinigung aller Farben des Spektrums entsteht.
Bei diesem Film geht es zum Teil um die Aufhebung von Kategorien oder Vorurteilen. GAMBLING, GODS AND LSD lädt den Zuschauer ein, auf eine Reise zu gehen, um dabei aktiv am "Sinn-Machen" und der Sinneserweiterung teilzunehmen. Der Film richtet sich nicht an eine bestimmte Zuschauergruppe. Er spricht alle an, die etwas von ihrem eigenen Empfindungsvermögen darin wiederfinden, ob sie sich nun von der Reise selber, den Menschen, welchen sie dabei begegnen, den Vorstellungen von Glauben oder Spiritualität oder einfach dem ästhetischen Potential von Bild und Ton angesprochen fühlen.

Soll GAMBLING, GODS AND LSD den Intellekt ansprechen oder die Sinne oder beides?
Der Film spricht einen Teil der Psyche an, den jeder kennt. Es ist das musikalische, malerische, oder man könnte sogar sagen, halluzinogene Empfinden, das dem Bereich des Unbewussten und des Traums zugeordnet ist: dies entspricht einem Zustand, der den Intellekt zwar einbezieht, ihn aber auch umgeht. Der Film funktioniert als Erfahrungsvermittler, manchmal jenseits von Sprache und Konzeption, und er lässt Situationen für sich selbst sprechen. Dies hat sehr viel damit zu tun, wie wir unsere Sinne gebrauchen, wie wir Musik, eine Situation oder ein Bild erleben – eine Verbindung verschiedener Sinneseindrücke.

Im Film spricht Albert Hofmann, der Erfinder von LSD, über die Wahrnehmung, die wir als Kinder haben und später verlieren. Ist der Film ein Versuch, das Staunen, wie es Hofmann beschreibt, wieder zu finden?
Ja, in gewisser Weise versuche ich die urteilsfreie Offenheit zu wecken, mit der Kinder manchmal sehen. Ich versuche, die Zuschauer dazu einzuladen, dem Film mit genau dieser Offenheit zu begegnen und sich frei zu fühlen, ihn für sich selbst zu interpretieren.

Wird der Sinn des Films letztendlich vom einzelnen Zuschauer geschaffen?
Letztendlich geht es bei dem Film um die Menschen, die ihn sich anschauen. Um es nochmals zu sagen: Die Erfahrung, den Film anzuschauen, widerspiegelt den zentralen Gedanken, wovon der Film handelt: der Art, wie wir Dingen Sinn verleihen. Den Film anzuschauen ist eine aktive Erfahrung bezüglich der Suche nach Sinn, des sich Eingestehens der Zerbrechlichkeit unserer Glaubensgrundsätze und unseres Strebens nach Glück – oder wie immer man das nennen möchte.
In diesem Zusammenhang stösst der Film auf verschiedenste Situationen und Zustände, wie z.B. Sucht, die Offenbarung Gottes, das Weggehen von geliebten Menschen, den Versuch, unsere Umgebung durch technologische oder wissenschaftliche Eingriffe zu verbessern, ekstatische Massenveranstaltung in Kirchen, bei Raves, Implosionen, Pudelrennen, Besuche bei Gurus etc.

Pudelrennen?
Ja, im Film geht es nicht nur um aufsehenerregende Situationen sondern auch um die Banalität des Alltags. Ich glaube, was ich während dem Machen dieses Films am meisten gelernt habe, ist, wie ich das Potential in allem sehe, was ich anschaue und überall Bezüge wahrnehme. Und wie alles, was ich je anschaue, irgendwie die Anlagen von allem enthält, was ich je gesehen habe.

Und die Erfahrungen beim Machen dieses Films?
Meine Erfahrungen beim Drehen des Films waren eine Mischung aus Beobachtung und Teilnahme, aus Recherche und Offenheit, aus Begegnungen folgen und gleichzeitig einen Instinkt entwickeln, wann die Kamera laufen soll. Während des Schneidens wiederholte sich die Erfahrung, auf diese Art von Reise zu gehen. So wie sich Ereignisse auf meiner Reise mit ihrer eigenen chaotischen Logik zeigten, musste auch der Film aus derselben Logik heraus entstehen. Ich könnte sagen, dass der Film sich in einem gewissen Sinn selbst machte und ich nur als Medium agierte. Dies war eine meiner strengsten Regeln. Eine andere war, dass der Film nur in zeitlicher Reihenfolge geschnitten werden konnte. Der Schnitt antwortet auf das, was geschieht, anstatt dem Filmmaterial von aussen eine Struktur aufzuzwingen. Man könnte sagen, der Fluss bestimmt die Form.

GAMBLING, GODS AND LSD wurde eine «audiovisuelle Komposition» genannt. Welche Rolle spielten Musik oder musikalische Strukturen bei der Herstellung des Films?
Bild und Ton wurden gleichzeitig geschnitten, und sie unterstützten und stimulierten sich gegenseitig. Die Musik im Film ist eine Mischung aus O-Tönen, Musikaufnahmen und Kompositionen, die speziell für diesen Film kreiert wurden. Während man den Film anschaut, ist nicht immer klar, was nun was ist. Dies steigert den Höreindruck und die Wahrnehmung des damit verbundenen Bildes, was normalerweise die Sinne dazu anregt, tiefer zu gehen. Die musikalische Struktur ergänzt die anderen Ebenen des Films: Geschichtenerzählen, Dokumentation und Phantasie.

Filmemachen ist also eine Art Komponieren?
Ich bin überzeugt, dass die Kamera wie ein Musikinstrument ist: Du stimmst dich ein gemäss den Themen, die du einfangen willst. Es ist jedoch wichtig, dass deine eigene Erfahrung durch das Instrument, mit dem du aufnimmst, weitergegeben wird. Ich glaube, wenn du es zulässt, die Welt auf dem Niveau eines Musikinstruments wahrzunehmen und zu erfahren – ich meine damit nicht nur auf der Ton- und Bildebene sondern auch thematisch – so führt dich das in eine andere Dimension der Filmsprache.

Interview Marcy Goldberg

Die Welt der Synästhesien

von Peter Weber

Teledivinitry: Fernschmeckerei
GAMBLING, GODS AND LSD ist ein dreistündiger Gegenwartstraum. Der Film setzt im Quellbezirk des allgemeinen Bilderstromes ein, wir sehen ein Gestrudel von Schemen und Gestalten, Göttern, Geistern, Gesichtern. Teledivinitry – Fernschmeckerei – nennt Mettler sein Verfahren, durch unzählige Ueberlagerungen von Bildern und Tönen ein flackerndes Bildgeräusch zu erzeugen, das alles in allem aufzittern lässt. Aus diesem Quellbezirk leitet er die weiteren Verläufe ab. Vom obersten Stock eines futuristischen Flughafenhotels in Toronto, das seine kindliche Fantasie einst in Bewegung gesetzt hatte, entspinnt er ein Geflecht von Flug- Gedanken-, Wasser- und Energielinien, das er reisend erfragen möchte. Die Kamera ist Sensor und Wünschelrute, immer offen für Unvorhergesehenes, sie folgt unsichtbaren Strömen, lässt sich vor und hinter die grossen Kulissen treiben, um die Wunder des Alltags zu belauschen und das Staunen wiederzufinden.

Querschnitt: "I follow water everywhere"
Der Fernschmecker zieht von Toronto durch die amerikanische Wüste zur mächtigsten Bilderquelle, der Verführungsmaschine Las Vegas, die alle Irrlichter bündelt und schrillste Trockenblüten treibt. Mettler horcht in die knisterne Luft, gelangt in die Steuerungsräume, durchleuchtet den riesigen Synthesizer aus allen Perspektiven. Aus der Wüstenstadt fliegt er das Wasserschloss Schweiz an. Das Alpenland ragt als Binneninsel aus dem Nebelmeer und wird zur Verbindungswelt zwischen Amerika und Asien. Landend durchtaucht er die vorgefertigten Bilder arkadischer Landschaft und perfekter Ordnung, zieht seine Linien durch die Elemente und zeigt die Schweiz im Innersten neu: Das Tosen eines Bergbachs wird plötzlich von Bässen unterfüttert, geht in repetitive elektronische Musik, Schaum und rauschenden Tanz der Massen über. Eben noch in den Hochalpen zwischen Fels und Eis, befinden wir uns im Untergrund, im Nervenzentrum des Technoparks, wo die Laser Utopien spucken. Ueber ein indisches Filmteam, das vor idyllischer Alpenkulisse Kinofilme dreht, die in Asien Millionen von Zuschauern bezaubern werden, kommt die Bilderquelle Schweiz mit der komplexen Bilderquelle Indien in Berührung, dort prallen jahrtausendendealte Mythologien und digitale Zukunft aufeinander, die Bilder sprudeln, am Ende schliessen sich die Kreise, für den Fernschmecker sind Quelle und Mündung eines. Zuschauer, die ihm um den halben Globus begleitet haben, sind durch wechselnde Gegenwarten gereist. Wie ist dieses feinsinnige Gebilde entstanden? Hier waren Flugkunst und höhere Chemie im Spiel.

Am digitalen Schnittplatz
Nach fast zweijähriger Reise zog sich Mettler in die Hügelwelt des Appenzellerlands zurück, wo er zunächst in einem Bauernhaus, dann in einem leerstehenden Hotel seinen Schnittplatz einrichtete. Tag- und Nacht, in Schichten und im Team wurden die Materialmassen beackert, die entstehendenFassungen wiederholt im engeren Kreis vorgeführt und diskutiert. Befreundete Filmenmacher, Künstler,Musiker und Schriftsteller nahmen daran teil. Als Besucher reiste man durch eine voralpine Landschaft, fand den Filmemacher und seine Mitarbeiter zwischen Bildschirmen in einer Art Cockpit vor, durch das man auf verschiedene Kontinente blicken konnte. Am Schnittplattz sitzend, wähnte ich mich in einem Luftfrachter, erhielt Einblick in die Vielzahl feinster Steuerungsvorgänge. In älteren Fassungen waren immer wieder Bilder aus dem Inneren von Kontrolltürmen verschiedener Flughäfen zu sehen. Filmemacher, so mein Eindruck, sind soziale Polyrhythmiker, tausend Süppchen halten sie gleichzeitig am Köcheln, tausend Teller in der Schwebe. Sie fliegen in Gruppen, überwachen die Flugbewegungen, sind Piloten und ihr eigenes Bodenpersonal zugleich.

Kondensation, Sättigung, Kristallisation: "Things were allowed to show themselves..."
Bei der Schnittarbeit habe ich Mettler einige Male über die Schultern geschaut. Er hat meine eher unbedarften Vorschläge verwertet, um daraus weiteres abzuleiten. Dabei fiel mir auf, wie er den vorschnellen Lösungen misstraute. Kurzatmiges Effektgeheische wäre schnell hergestellt gewesen. Mettler suchte nach Zusammenhängen, die er im Material verborgen wähnte, suchte den längeren Atem. Ton und Bild wurden gleichzeitig bearbeitet und von Anfang an verquickt, dadurch entstanden Flüssigkeiten, so schien es mir, die laufend umgegossen werden konnten, bis die exakten Mischungen gefunden waren. Musik wurde wie ein Lösungsmittel verwendet, um die Bilder in Fluss zu bringen. Als eine Passage über Zürich in Arbeit war, hat mich Mettler nach der Musik gefragt, die ich, in Zürich lebend, gerade hörte. Aus meinem Lieblingsstück hat er Sequenzen gezogen, sie auf seine Bilder abgefüllt, damit den Bildschnitt vorangetrieben. Später wurden diese Sequenzen wieder gelöscht, nur ein Schatten der Rhythmen blieb in den Bildern zurück. Sie wurden mit Musikern wieder live vertont. Bei der aufwendigen Verdichtungsbewegung fielen laufend Stränge weg, andere wuchsen zusammen. Nach fast drei Jahren war eine Fassung auskristallisiert, in der alles Weggelassene gespiegelt scheint.

Alchemie der Gegenwart
GAMBLING, GODS AND LSD ist ein hochpotentes Musikum. Der Fernschmecker führt vor, dass nach dem Zusammenbruch der ideologischen Systeme die Welt diesseits fixer Vorstellungen und festgefahrener Bilder synästhetisch, assoziativ und in Analogien verknüpft werden muss, wenn man den eben entstehenden Sinnlinien folgen will. Unbemerkt, ja wie selbstverständlich verschmilzt der Film dokumentarische und innere Bilder mit musikalischen Bewegungen zu einem Fluidum, in dem Gegenwart in immer neuer Gestalt aufschimmert. Die Synästhesien im Schmelzbereich von Ton und Bild sind die organisierende Kraft in Mettlers Universum. Sie schöpfen Reichtümer zwischen den Sphären und halten auf der ausschweifenden Reise immer bei Atem.



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