Der Erfinder

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Heinrich von Grünigens Blog: 24/7 Der Erfinder

Boston Phoenix: Fairy tales. review DER ERFINDER

Cinéluctablement: critique DER ERFINDER

filmblog.ch Thomas Hunziker: Doppelter Genuss mit Bruno Ganz

outwnow.ch


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Kurt Gloor 1980 96'


Die Geschichte eines Erfinders, der der eine Erfindung macht, aber nicht weiss, dass es seine Erfindung schon gibt. Zürcher Oberland, 1916. Jakob Nüssli, Fabrikarbeiter, Immerbastler und Pazifist, erfindet einen Wagen, der nicht mehr im Dreck einsinkt und baut ein Fahrzeug mit „künstlicher Strasse“. Gleichzeitig tobt in Europa der Krieg. Als Nüssli einen Patentanwalt aufsucht, sieht er zufälligerweise in einem Kino eine Wochenschau mit Kriegsbildern. Und da sieht er seine Erfindung auf der Leinwand: Einen geländegängigen Panzerwagen namens „Tank“, den die Engländer erstmals in der Schlacht bei Somme einsetzten. Gloors brillante Mischung aus Melodrama und Komödie setzt all jenen genialen Bastlern und Phantasten ein filmisches Denkmal, die nicht ins Lexikon kamen, aber einen guten Gedanken zur falschen Zeit hatten.

Gloor inszenierte nach dem Roman von Hansjörg Schneider, der am 27.3.1938 in Aarau geboren wurde, in Zofingen aufwuchs und in Basel Germanistik, Geschichte und Psychologie studierte. 1966 promovierte Schneider über Jakob van Hoddis bei Walter Muschg.

"Die Grossproduktion von 1980 besticht auch heute noch durch den trockenen Humor, die verzückende Detailtreue und natürlich die grossartigen Schauspieler. Köstlich ist nur schon die erste Sequenz, in der Nüssli bei der militärischen Aushebung eine Hörbehinderung vortäuscht. Danach liegt Nüssli mit seinem Kollegen Otti (Walo Lüönd) entspannt auf der Wiese, und Otti bemerkt: «Kei Militärdienscht – so isch mer scho lang nüme gsi!» Alleine für diese Szene lohnt sich die Anschaffung dieser DVD, auf der die Regieassistentin Verena Gloor und der Produktionsleiter Rudolf Santschi ein paar amüsante Anekdoten zu den Dreharbeiten erzählen."
Thomas Hunziker filmblog.ch

Unsere Verantwortung hast Du uns hier gelassen

Kurt Gloor / Dem Schweizer Filmautor und Anwalt der Sprachlosen zum Abschied
Fred Zaugg, der Bund 26.9.1997

Unsere Verantwortung in dieser Welt, dieser Gesellschaft, dieser Schweiz, unsere Verantwortung gegenüber unseren Nächsten hast Du uns hier gelassen.

Unablässig hast Du versucht, unser Bewusstsein zu wecken und nicht nur unsere Kino- und Fernsehaugen, sondern auch unser Herz und unsere Hand für jene zu öffnen, die keine Lobby haben, für alle, die am Rande leben, in Armut, in Krankheit, alt, blind, gelähmt, süchtig, ausgesteuert. Du hast uns von ihrer Menschlichkeit, ihrem Trotzdem berichtet und uns den Wert eines jeden einzelnen hinter aller Behinderung erkennen lassen.

Und nun bist Du gegangen, verzweifelt, und hast uns mit unserer Verantwortung zurückgelassen.

Du hast zu jenen gehört, die glaubten, durch ihr Engagement, durch ihren aufklärerischen Kampf etwas verändern zu können. Ursprünglich warst Du Grafiker, doch Du hast das mit der altehrwürdigen Druckerkunst vermählte Metier zugunsten des Films verlassen, weil Du diesem «Massenmedium» eine revolutionäre Kraft zutrautest.

Ende der sechziger Jahre warst Du mit dabei, als es darum ging, einen neuen, einen jungen und angriffigen Schweizer Film zu schaffen, mit dem das schweizerische Establishment herausgefordert werden sollte. Eine Bewusstseinsänderung in der verkalkten helvetischen Gesellschaft herbeizuführen, war das hohe Ziel. Die friedliche «Waffe» war die Kamera, das Bild der von Dir erkannten Wahrheit der Dokumentarfilm.

Schon Deine Kurzfilme hatten Sprengkraft, sei es nun FFFT, HOMMAGE, MONDO KARIES, EX oder WANTED. Und erstaunlicherweise haben die meisten von ihnen eine erschreckende Aktualität bewahrt - dreissig Jahre nach ihrer Entstehung.

1969 hast Du Dich mit DIE LANDSCHAFTSGÄRTNER, Deinem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm, zum Fürsprecher der Bergbauern gemacht, und zwei Jahre später bist Du mit DIE GRÜNEN KINDER gegen die «Käfighaltung» der jungen und jüngsten Menschen in modernen Wohnsiedlungen ins Feld gezogen und hast, wie weiland Don Quijote gegen die Windmühlen, gegen die Immobilienspekulanten in unserem Lande gekämpft.

Damals bereits hast Du erkannt, mit welchem perfiden System die Mächtigen darauf bedacht sind, die Menschen nicht allein materiell zu beherrschen, sondern auch psychisch zu dominieren, wenn nicht sogar zu «beschädigen», wie Du gesagt hast.

Damit wären wir bei dem alten Wort «Seele», das Du, Kurt Gloor, wenig gebraucht, aber stets gemeint hast. In Deinem ersten Spielfilm, DIE PLÖTZLICHE EINSAMKEIT DES KONRAD STEINER, aus dem Jahre 1976 hattest Du mit Sigfrit Steiner einen Schauspieler, der in der Geschichte seiner Entwurzelung Seele sicht- und erlebbar zu machen verstand. Und zwei Jahre später vermittelte ein einzigartiger Bruno Ganz als DER ERFINDER Jakob Nüssli die alte, doch deswegen nicht minder ungeheuerliche Wahrheit, dass aller Erfindergeist des Menschen, seine ganze grossartige Kreativität dem Krieg und der Vernichtung dieses unseres blauen Planeten dienstbar gemacht wird.

Deine Wahrheiten sind schmerzhaft. Sie berichten von Verletzungen, von Beschädigungen der Seele und von einer Psychiatrie als einer überheblichen Behandlungs- und Reparaturmethode. In diese Richtung geht auch Deine adäquate Glauser-Verfilmung DER CHINESE, und Dein MANN OHNE GEDÄCHTNIS ist im Film von 1984 aus einer unerträglichen Situation in die Erinnerungslosigkeit geflohen.

Nach diesem Werk hast Du vom sogenannten freien Filmschaffen, das eigentlich einem Betteln nach Unterstützung gleichkommt, Abschied genommen und für das Fernsehen gearbeitet, das Dir für Deine angriffigen und berührenden Reportagen mehr Freiheit gewähren konnte. Andrerseits hast Du einmal gesagt, Du müssest die Menschen dort abholen, wo sie zu finden seien, und das sei halt vor der «Kiste».

Immer wieder steht das Wort «Leben» in den Titeln Deiner Reportagen: DAS IST MEIN LEBEN, FRÜHSTART INS LEBEN, ERSTE TAGE IM LEBEN EINES METHADON-BABIES, LEBEN UNTER RIESEN - dahinter sind eine gelähmte Schriftstellerin, Frühgeborene in Brutkästen, ein Säugling mit geerbter Sucht und der brutale Alltag Kleinwüchsiger zu finden.

Ich weiss nicht, warum Du gegangen bist, Kurt, aber ich weiss, dass Deine Bilder, Deine Worte wichtig sind als Bekenntnis zum Leben. Hast Du zuviel gewusst, Du, der Du immer allem ganz genau auf den Grund gehen musstest? Bist Du an einer Schweiz verzweifelt, die mit der Initiative «Jugend ohne Drogen» gegen Kranke vorgehen will, die doch vor allem der Spiegel einer Gesellschaft sind, welche Angst produziert und Seelen verletzt, einer perspektivelosen Gesellschaft, in der nur noch mit Verboten regiert wird?

Bei Deinen Festivalbesuchen hast Du während Jahren den Camper einem Hotelzimmer vorgezogen. Du hast Dir eine Rückzugsmöglichkeit gewahrt, aber stets warst zu offen für Gespräche. Es scheint mir noch nicht lange her zu sein, dass wir zusammen von der verhängnisvoll falschen Orientierung sprachen: Erst wenn wir beginnen, uns am Menschen statt am Geld zu orientieren, wird jene Veränderung möglich, die das Leben wieder sinnvoll werden lässt.

Es ist schwer, unter südlicher Sonne und mit Blick auf den Lubéron von Dir Abschied zu nehmen, in einem Moment, da jede Grille von Leben zirpt. Jetzt lässt die weisse Fabrik weit in der Ebene draussen Dampf ab, vielleicht giftigen. Du lässt uns mit unserer Verantwortung zurück, und es ist zu hoffen, dass Dein Vermächtnis über Deinen Tod hinaus die Menschen zu sensibilisieren vermag für die Unterdrückten, die Randständigen, die Abhängigen, für des Menschen Seele und das Leben.

Fred Zaugg



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